Dokumentarfilm
16 mm, s/w, Magnetton, 53' 20" (bei 25 B/s)
Sprache: Original Deutsch und Schweizer Dialekt
2. Version hochdeutsch übersprochen
Drehorte: Urdorf und Uitikon bei Zürich
Dreh: 1976
Fertigstellung 1980
Digitale Fassung in Vorbereitung

BESTELLEN

Von der sehenden Liebe –
Skizze einer pädagogischen Haltung

«Die Elementar-Bildung der Menschennatur ist die Bildung unsers Geschlechts zur Liebe, aber freylich nicht Bildung einer blinden, nein, das nicht, sie ist eine Bildung der Menschennatur zur sehenden Liebe.»
Johann Heinrich Pestalozzi, 1809

 

Der Film ist ein persönlicher Bericht über die praktische Arbeit des Schweizer Pädagogen Prof. Dr. Marcel Müller-Wieland, die zum Ziel hat, die Selektion aus der öffentlichen Volksschule zu eliminieren. Anstelle von Notendruck und Prüfungsangst soll eine echte individualisierende Hilfe für jedes einzelne Kind treten.
Voraussetzung eines solchen Unterrichts ist die Bildung zur Selbständigkeit und zur Gemeinschaftsfähigkeit der Klasse, aber auch der Lehrer und der Eltern.
Es soll nicht eine Methode aufgezeigt werden, nach der diese Wandlung durchzuführen wäre, sondern etwas Zentraleres: Eine in meinen Augen beispielhafte pädagogische Grundhaltung.

Der Film bringt vor allem Szenen und Lehrer-Gespräche aus dem Fach Sprache. Das hängt mit den Wünschen und Problemen der beteiligten Klassenlehrer zusammen. Die gemeinte Grundhaltung aber ist in allem schulischen und erzieherischen Geschehen möglich.

Team
Buch, Regie, Kamera, Schnitt, Produktion: Hans Peter Scheier
Ton: Manfred Blank, Beni Farkas, Norbert Masal, Thomas Bauer
Kameraassistenz: René Scheier
Skript: Martin Zehender
Mitarbeit: Barbara Egli, Ruth Scheier, Gabriela Bimmler
Sprecherin: Heinke Brandt
Musik: Karl Heinrich Graun (Sonate für Flöte und Bassocontinuo, Vivace), Georg Philipp Telemann (Partita Nr. 2, Aria 2, Allegro), Joseph Bodin de Boismortier (Sonate pour clavecin et flüte No. 1, Sicilienne)
Flöte: Helmut Steinkraus
Cembalo: Fritz Mader
Plakat: Peter Kuhn

Sehende Liebe als Haltung des Erziehers und als Ziel der Bildung:

«Alles Leben ist primär Selbstbewahrung, Selbstdurchsetzung, Selbstentfaltung. Lebensbehauptung ist tief im menschlichen Leben verankert. Der Mensch muss gebildet und ausgerüstet werden, sich im Strom des Lebens zu behaupten. Allein, es wirken im Leben des Menschen auch Motive, die ganz anders gerichtet sind. Aus Leben herausgeboren, übersteigen sie die letzten Behauptungstendenzen eben dieses Lebens und öffnen einen Raum spezifisch menschlichen Verhaltens, das den Lebensimpulsen zunächst eigentümlich widerstreitet. Und doch muss der Mensch sein Leben bis in die tiefsten Strebungen durch diese Motive umbilden und verwandeln. Es ist das Geistige im Menschen.

Das Geistige im Menschen ist die Hingabekraft wesentlich verstehender Liebe. Pestalozzi brauchte das schöne Wort von der «sehenden Liebe››, um dieses Vermögen des Menschen aufzuzeigen.

Geistige Liebe ist immer persönliche Liebe. Sie gilt dem einzelnen. Sie ist individuell. Sie misst den einzelnen Menschen nicht an äusseren Kriterien. Nicht an Durchschnittswerten. Nicht am Bilde vergleichbarer Personen. Nicht am eigenen inneren Bild. Und nicht am vermeintlichen Bilde eines allgemeinen Menschseins. Und doch ist sie fordernde Liebe. Sie hat ihre Kriterien in der inneren Wertgestalt des andern selbst. Sie misst seine faktische Prägung und seine Auseinandersetzung mit sich selbst an seinen eigenen geistigen Motiven. Geistige Liebe zum andern Menschen wurzelt in der Einsicht und im Verständnis für die persönlichen geistigen Möglichkeiten dieses andern.

Die Möglichkeit geistiger Liebe hat keine Grenzen. Sie gilt dem Wirkenden schlechthin. Wo der Mensch in geistiger Hingabe sich mit den Motiven des Begegnenden verbunden weiss, erwacht seine Heiterkeit. Geistigkeit ist der Grund menschlicher Heiterkeit.

Heiterkeit ist eine ernste Sache. Heiterkeit ist der Widerhall des geistigen Erlebens im Stimmungsgrund des Menschen. Echte Heiterkeit ist von fundamentaler Bedeutung für das Leben des Menschen, weil sie ihm möglich macht, Not und Leid, Sorge und Angst des Lebens zu übersteigen.
Der Mensch – bewusst hineingehalten in die Gefährdung seines Lebens, in Krankheit und äussere Bedrohung, im Wissen um die Gewissheit seines Sterbens – gewinnt einzig in solcher Heiterkeit die Kraft, dem eigenen Leben aktuellen Sinn und persönlich tragende Bedeutung zu verleihen. Gerade heute, in materialistischer Zeit, im oft zermürbenden Kampf gesellschaftlicher Durchsetzung, wo viele Menschen, ja auch Jugendliche, Gefahr laufen, am Sinn des Lebens zu verzweifeln, ist es notwendig, echte Heiterkeit in geistiger Anteilnahme neu zu verwurzeln.»

Marcel Müller-Wieland: «Wandlung der Schule. Individualisierung und Gemeinschaftsbildung»,
Novalis Verlag, Schaffhausen, 1976.

 

Links zu Marcel Müller-Wieland

www.Marcel Müller-Wieland
Wikipedia über Marcel-Müller-Wieland