Dokumentarfilm
16 mm, s/w, Magnetton, 85' (bei 25 B/s)
Dreh: 1973
Fertigstellung: 1975
Digitale Fassung in Vorbereitung

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Flächen –
Ein pädagogischer Ausblick

Ein Unterrichtsprojekt mit der 6. Volksschulklasse von Max Stadtmann aus Urdorf. Zunächst geht es um Rechnen und Geometrie: Flächenberechnung. Aber schnell weitet sich das Feld: Schon kommt die Fläche im Schulhausbau, in der städtischen Umgebung, in der Natur ins Blickfeld.

«Kann es in der Wirklichkeit überhaupt eine perfekte Fläche geben?», fragt ein Junge. Kristalle unter der Lupe. Die scheinbar makellosen Flächen zeigen in der Vergrösserung individuelle Abweichungen vom Erwarteten. Arbeiter parzellieren mit Platten die Gehwege beim Schulhaus. Die Kinder erfinden eigene, möglichst komplizierte, dann möglichst einfache Parzellierungsformen (Quadrat, gleichseitiges Dreieck, Sechseck). Beim regelmässigen Fünfeck gibt es Probleme. Es lässt sich nicht in der Fläche parzellieren. Die Kinder forschen und suchen nach einer Lösung. Einige entdecken, dass man in die dritte Dimension gehen muss: Der Dodekaeder entsteht. Für die Versuche werden möglichst exakte Papier-Fünfecke gebraucht. Versuche, sie möglichst genau zu konstruieren, scheitern lange. Ein vollkommen schulmüder Junge findet nach tagelangen intensiven Versuchen die exakte Konstruktion des in einen Kreis eingeschriebenen Fünfecks. Marcel Müller-Wieland arbeitet sprachlich mit ihm, bis er seine geometrisch sehr anspruchsvolle Lösung den Mitschüler/-innen verständlich darstellen und erklären kann.

 

Im Klassenzimmer entstehen meterhohe verschlungene «Chügelibahnen» aus Papier.

In einer Schulverlegung nach Serneus in Graubünden wird anhand von Landkarten die überschaubare Landschaft als Fläche berechnet. Die Architektur und Kultur der Region wird studiert, vermessen und skizziert: Alte Fassaden, Türschnitzereien, Sgraffiti etc.

Die Frage nach der Unendlichkeit kommt auf. Einzelne wagen sich an die Quadratur des Dreiecks und des Kreises, später sogar an Fragen der Infinitesimalrechnung.

Zurück im Schulhaus werden die Skizzen und Beobachtungen zu einer grossen Ausstellung und Präsentation über das Thema «Flächen» verarbeitet.
Die Fläche in der Malerei interessiert eine Gruppe, die sogar am freien Mittwoch Nachmittag arbeiten will. Bilder von Klee und Rothko werden betrachtet. Die Kinder malen eigene Flächen-Bilder.

Team
Buch, 1. Fassung: Marcel Müller-Wieland
Buch, Regie, Kamera, Schnitt, Produktion: Hans Peter Scheier
Kameraassistenz: Michael Zens
Ton: Armin Kappeler, Hans Jörg Kuhn, Pius Rinderer
Skript: Thomas Bauer, Beni Farkas
Finanzierung: Martin Zehender
Musik: Johann Sebastian Bach
Cembalo: Kaspar Guyer

Entscheidend und ganz anders als in der heutigen Schule ist: die Kinder der Klasse arbeiten begeistert und selbständig an Fragen, die sie sich selbst stellen. Natürlich im gemeinsamen Themenkreis «Flächen». Sie helfen einander und regen sich gegenseitig an. Marcel Müller-Wieland nimmt jede Überlegung oder Frage ernst, aber er gibt den Kindern nicht gleich Antworten, sondern hält die Fragestimmung wach. So wird die ganze Klasse von 31 Schülern aktiv und forscht fasziniert. Es arbeiten nicht alle am Gleichen, aber jedes an dem, was es anspricht und herausfordert. Gleichzeitig wendet sich Marcel Müller-Wieland einzelnen Kindern und Gruppen zu. Hier kann er auf die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse jedes einzelnen eingehen.

Diese Art des Unterrichts ist kein Abwickeln eines fertigen Lehr- und Lernprogramms, sondern ein sich immer weiter öffnender Blick auf die vielschichtige, vielgestaltige Wirklichkeit und ein Anruf zu echtem Forschen und Schauen und Denken: Schule als Abenteuer des Lebens, Schule, wie sie sein könnte, und wie wir sie uns alle schon lange wünschten.

Selbstverständlich setzt dies Lehrkräfte voraus, die einen weiten Bildungshorizont haben. Und die vollständige Befreiung der Schule von gängelnden Vorschriften, kleinlichen Lehrplänen und der Notengebung und Selektion. Wenn Lehrkräfte in einem Projekt fachliche Hilfe brauchen, müssen sie Fachleute von ausserhalb holen können (Die kommen nämlich mit Begeisterung!) oder die Kinder zu ihnen schicken: Die Schule muss sich dem Leben, der Natur und der Gesellschaft öffnen dürfen. Sie muss von der Bevormundung durch Politik und Verwaltung befreit werden. Die Verwaltung hat einzig die Aufgabe, die Voraussetzungen für das Bildungsgeschehen bereitzustellen (Gebäude, Finanzierung etc.). Verantwortlich für den Bildungsprozess sollten ausschliesslich die Lehrkräfte, die Eltern und die Kinder selbst sein.

Denn das wesentliche Ziel kann auf Millionen Wegen erreicht werden: Kinder zu freudvollem Lernen, zu Gemeinschaftskraft und zu innerer Verantwortung zu führen.

Dass dies möglich ist und funktioniert, habe ich in jedem Projekt von Marcel Müller-Wieland und in vielen eigenen Unterrichtsprojekten als Klassenlehrer und als Theaterpädagoge erlebt.

Ausstrahlung durch das Schweizer Fernsehen: 8.3.1976

 

Links zu Marcel Müller-Wieland

www.Marcel Müller-Wieland
Wikipedia über Marcel-Müller-Wieland